26. Februar 1944 01:07 / Sihlsee

© by Patrick Schlenker

 

Lancaster Mk.III, ND.595, code HW°V, 100 Squadron

 

Pilot: P/O George J.A. Smith 

Flight Engineer: Sgt George Beevers 

Navigator: P/O Basil T. Medcalf 

Wireless Oprtr: F/Sgt Eric Hiley 

Mid-upper Gunner: Sgt Arthur Truscott 

Rear Gunner: F/Sgt Ronald Carr 

Bomb

Aimer: F/O Herbert J. Benson 

Als die Schweizer Soldaten die Briten mit den Worten "Schweiz!" über den Standort orientierten, strahlten alle überglücklich. Abgesehen von einigen kleineren Schürfungen sind alle Männer unverwundet und wohlauf. Beim Sihlsee sind P/O George J.A. Smith, P/O Basil T. Medcalf und F/Sgt Eric Hiley niedergegangen; der Pilot, von Beruf Polizist, ist 28 Jahre alt, das älteste Besatzungsmitglied, verheiratet und Vater mehrerer Kinder. Der Fliegerleutnant ist 22 Jahre alt und übt im Zivilleben den Beruf eines Versicherungsagenten aus. Alle sind typische Engländer mit gutem sportlichen Aussehen. Keiner von ihnen spricht Deutsch, nur der Pilot versteht ein wenig Französisch. 

Die Lancaster Mk.III, ND.595, Code HW°V, gehörte ursprünglich zu einem Verband von 594 Bombern, die die MAN-Werke in Augsburg als Ziel hatten. 461 Lancaster-Bomber, 123 Halifax-Bomber und 10 Mosquito-Bomber brachte das Bomber Command in die Luft. Als Teil der "Big Week" (20.2.44 - 25.2.44), bei der amerikanische und britische Bomber mit 6000 Bombern und 3670 Begleitjägern planmässig die deutsche Industrie und Rüstungswerke zerstören sollten, sollte der Angriff auf Augsburg in zwei Wellen erfolgen. Um ca. 22:00 Uhr erfolgte die erste Angriffswelle mit 248 Lancaster-Bombern. Etwa drei Stunden später die zweite Welle mit weiteren 130 Lancastern und 115 Halifaxes. In der sogenannten Bombernacht warfen US- und britische Bomber 250.000 Stabbrandbomben, 45.000 Phosphorkanister, 12.000 Flüssigkeitsbomben und 240 Sprengbomben vor allem über der Altstadt von Augsburg ab.

730 Menschen verloren während dieses Angriffs ihr Leben, und 13.335 wurden verletzt. 2920 Häuser wurden zerstört und weitere 5000 Gebäude wurden beschädigt. Zudem erwiesen sich die Löscharbeiten als äusserst schwierig, da wegen der tiefen Temperaturen von -18°C viele Hydranten sowie der Fluss Lech zugefroren waren.

Die in Grimsby, Lincolnshire, stationierte 100 Squadron war mit Lancastern Mk. I und III ausgerüstet. Pilot Officer George J.A. Smith und seine Crew mussten im Vorfeld der Operation auf ihre Lancaster mit der Kennzeichnung HV°T verzichten, da an dieser Maschine eines der Triebwerke ausgewechselt werden musste. So übernahm man die Lancaster HW°V. Da die Maschine ihrer Auslieferung bei der 625 Squadron dienen sollte, aber kurz darauf an die 100 Sq. weitergegeben wurde, behielt diese die schon angebrachte Bezeichnung HW°V. Smiths Besatzung hatte bis zu diesem Einsatz schon an zwölf Operationen teilgenommen. Darunter waren sie schon 7 Mal über Berlin im Einsatz.

Während des Anflugs auf Augsburg wurde die Lancaster über Freiburg von einer Flakgranate getroffen. Eine der vier Motoren versagte daraufhin, ein Teil der Steuerfläche wurde weggerissen und Feuer brach aus. Zudem wurde auch der Bombenschütze, Flying Officer Benson, in der Bugkanzel schwer verletzt. Da Smith den Bomber kaum noch unter Kontrolle hatte, stiegen die sieben Besatzungsmitglieder einer nach dem anderen aus. Benson wurde mithilfe seiner Kameraden aus dem Bomber befördert. Obschon er den Fallschirm noch öffnen konnte, verstarb Benson noch in derselben Nacht an seinen schweren Verletzungen infolge hoher Blutverluste und Unterkühlung. In der Nacht wurde im Gebiet des Sihlsees bis zu -26°C gemessen. Seine Leiche wurde erst am 29. Februar 1944 von Wanderern entdeckt, hängend in einer Tanne. Er wurde wie alle anderen britischen Gefallenen in der Schweiz auf dem Friedhof in Vevey im Beisein seiner Besatzungskameraden beigesetzt.

Der Rest der Besatzung wurde interniert und noch 1944 gegen in der Schweiz internierte Deutsche ausgetauscht. 

Smith und seiner Crew waren in dieser Nacht nicht der einzige Verlust der RAF. Weitere 16 Maschinen wurden abgeschossen und vier gingen durch Kollisionen verloren.


Absturz fremder Flieger - Tatsachenbericht vom Liechtensteiner Vaterland vom 1. März 1944

Eine Stunde nach Mitternacht vom Freitag auf den Samstag flog plötzlich ein einzelnes Flugzeug von Nordosten her in das Tal des Sihlsees ein. Nachdem es Einsiedeln im Tiefflug passiert hatte, brummte es seeaufwärts und kreiste dann zwischen den umliegenden Bergen. Über dem See lag eine dicke Nebelschicht. Das unheimliche, heftige Brummen, das je länger desto näher kam, schreckte die Leute aus dem Schlaf auf. Von einigen erhöhten Positionen aus, die über dem ausgedehnten Nebelmeer lagen, konnten Leute mit blossem Auge beobachten, wie ein Flugzeug, das dreimal nacheinander eine Leuchtrakete in den Himmel schoss, sich mehr und mehr dem Erdboden bedrohlich näherte und schliesslich etwa fünfzig bis hundert Meter über dem vollständig zugefrorenen und schneebedeckten See mit einer ungeheuren Detonation wie eine Riesenrakete explodierte. Wenige Sekundenbruchteile lang war die ganze Gegend taghell beleuchtet, und der Explosionsprozess glich einem einzigartigen Seenachtsfest, bei dem sich ein märchenhafter rötlicher Sprühregen auf die Eisdecke ergoss. Personen, die sich im Freien aufhielten, glaubten im ersten Augenblick, von dem gewaltigen Luftzug hinweggefegt und von der Explosion unmittelbar erfasst zu werden.

Unmittelbar nach dem ohrenbetäubenden Klang leiteten die zuständigen Militärbehörden in Verbindung mit der alarmierten Ortswehr die ersten Suchaktionen ein. Skipatrouillen machten sich unverzüglich in allen Richtungen auf den Weg, kreuz und quer über Land und See, in die weisse, kalte Nacht hinaus. Anfänglich war weit und breit keine Spur zu finden, bis dann einzelne Patrouillenläufer von Zeit zu Zeit auf dem das Eis bedeckenden Schneefeld verdächtige Einschläge bemerkten. Als sich die Nebeldecke allmählich hob, sah man ungefähr in der Mitte des Sees einen grossen dunklen Fleck, der sich bei Tagesanbruch als die eigentliche Absturzstelle erwies.

Im Umkreis von 300 bis 400 Metern lagen zerfetzte und vollständig zertrümmerte Apparateteile umher; nur wenige Teilstücke waren noch ganz. Aus der Ferne betrachtet schien die Absturzstelle am Morgen wie eine einzige grosse Öllache.

Die Darstellung der englischen Flieger: Bei der abgestürzten Maschine handelt es sich um einen viermotorigen „Lancaster“-Typ, der am Freitagabend im geschlossenen Verband bereits im Anflug über Frankreich von Flakgeschossen beschädigt worden war. Das Flugzeug setzte die Fahrt fort, bis sich die Besatzung angesichts der grossen Maschinendefekte über dem Zürcher Oberland entschliessen musste, den Bomber dem Schicksal zu überlassen. In Intervallen von zwei Minuten sprangen sämtliche Flieger nach und nach ab, zwei Mann bereits in der Umgebung von Bäretswil und Hinwil, die am Samstag dort festgenommen wurden. Der Pilot lenkte seine Maschine in westlicher Richtung über den Obersee hinweg, zu den Schwyzerbergen. Bei Altendorf war unterdessen ein weiterer Mann niedergegangen. Einige Minuten nach 1 Uhr brummte die Maschine über dem Sihlsee, wo die drei letzten noch an Bord Verbliebenen sich durch Fallschirmabsprung retteten. Zwei Minuten darauf explodierte das Flugzeug, das übrigens noch die gesamte Bombenlast mit sich führte. Einer der im Sihlseegebiet abgesprungenen Engländer landete bei Wilerzell, andere im Tannenwald unmittelbar oberhalb von Euthal, und der Chefpilot, der das Flugzeug als letzter verliess, kam hart beim südlichen Viadukt auf den Boden.

Der bei Wilerzell niedergegangene Mann stand bei seiner Festnahme in blossen Socken auf seinem seidenen Fallschirm; seine pelzgefütterten Filzstiefel hatte er während des Absprungs verloren. Sämtliche Flieger trugen heizbare Kleidung.

 

 


Vevey (St. Martins) Cemetery

Bomb Aimer: F/O Herbert J. Benson 

 Herbert Benson


 

- Gefallen

↔ - Im Rahmen eines Kriegsgefangenenaustausches  zurück nach England

∏ - In der Schweiz interniert