28. April 1944 02:15/ Steckborn (Bodensee)

© by Patrick Schlenker 2012

 

Lancaster Mk.III, ND.759, code TL°R, 35 PPF Squadron

 

Pilot: W/O Robert Peter 

Flight Engineer: Sgt Alfred Brereton (Deutsche Kriegsgefangenschaft  PoW N° 3825 Stalag Luft VI Heydekrug)

Navigator: F/Sgt Geoffrey Foulkes 

Bomb Aimer: F/Sgt Noel Davis

Wireless Oprtr: F/Sgt Murray Bartle(am 22.12.44 geflohen)

Mid-upper Gunner: Sgt David Balmer(am 22.12.44 geflohen)

Rear Gunner: Sgt Irvine Graham

Steckborn_1

Nach der Bergung der Lancaster Mk.III, ND.759  1953 - Foto zur Verfügung gestellt von Stefan Zwingli - Kolorierung Patrick Schlenker 

 

W/O Robert Peter startete mit seiner Crew, die wie üblich aus sechs Mann bestand, um 21:21 Uhr zu ihrer neunten Operation von ihrem Stützpunkt in Graveley in Huntingdonshire. Peter und seine Besatzung gehörten der 35 (Pathfinder) Squadron an und sollten Zielmarkierungen für die nach ihnen anfliegenden Bomberstaffeln über Friedrichshafen setzen. Ihre Lancaster war mit vier 2.000-Pfund-Bomben sowie weiteren 500- und 250-Pfund-Bomben beladen worden.

Der Flug durch die mondhelle Nacht verlief ohne Probleme bis ca. 80 Kilometer vor dem Ziel. Da tauchte durch die Silhouette der anderen Bomber ein feindlicher Nachtjäger auf. Obwohl Peter versuchte, seine Lancaster mit einem Manöver aus dem Schussfeld zu fliegen, trafen die Salven der Me 110 den äußeren Merlin-Motor an Steuerbord. Sofort stand das Triebwerk in Flammen. Peter versuchte, mit dem im Motor installierten Feuerlöscher das Feuer zu löschen und die Propeller in Segelflugstellung zu bringen. Flight Engineer Sgt Alfred Brereton schloss gleichzeitig die Treibstoffzufuhr. Der Propeller drehte immer langsamer, bis er schließlich zum Stillstand kam. Der Ausfall des Merlin-Motors führte dazu, dass das H2S-Radar ausfiel und auch die Hydraulikpumpe des mittleren oberen Gefechtsturms mit den .303-MGs nicht mehr funktionierte. Mid-up-Gunner Sgt David Balmer war sozusagen zum Zuschauer degradiert worden.

Um 02:00 Uhr erreichte die Staffel Friedrichshafen und warf ihre grünen Zielmarkierungen über dem Gebiet ab. Schwerer Flakbeschuss schlug ihnen entgegen und ließ das Flugzeug hin und her tanzen. Unter ihnen konnte die Besatzung die Stadt deutlich erkennen. F/Sgt Noel Davis, der für den Abwurf der Bomben zuständig war, entlud die Bomben mit dem üblichen Ritual „Steady – steady now...“ in einer Höhe von 4.880 Metern. Kurze Zeit später bestätigte W/O Robert Peter: „Bombs away“.

Kurz nach dem Kurswechsel tauchte ein weiterer Nachtjäger auf, der sofort das Feuer auf die schon arg gebeutelte Lancaster eröffnete. Der Bomber schlenkerte von links nach rechts. W/O Robert Peter versuchte, wie er es in der Ausbildung gelernt hatte, mit einem Korkenzieher-Manöver zu entkommen – jedoch umsonst. Geschosse schlugen im hinteren Geschützstand ein und entzündeten das ausgelaufene Hydrauliköl. Peter konnte zudem wegen Rauch im Cockpit kaum noch etwas erkennen.

Der schwer angeschlagene Bomber verlor immer mehr an Höhe, bis Peter entschied, die Lancaster aufzugeben und abzuspringen. In der Ausbildung hatte die Crew gelernt, dass zuerst der Flight Engineer, dann der Navigator gefolgt vom Piloten den Bomber verlassen sollten. Bombenschütze Davis erkannte die Notsituation im hinteren Teil der Maschine und sprang nicht, was ihm wahrscheinlich das Leben rettete. Er begab sich ins Heck des verrauchten Bombers. In dieser Zeit sprangen Foulkes und Brereton ab. Davis kam kurze Zeit später zurück und meldete Peter, dass die beiden Kanoniere der Geschütze nicht in der Lage seien zu springen. Beide hatten schwere Verbrennungen erlitten. Zudem war Davis' Fallschirm durch das Feuer unbrauchbar geworden. Peter entschied sich für eine Notwasserung, die seiner Meinung nach nicht schwieriger sein konnte als eine Bruchlandung mit beschädigtem Flugzeug in gebirgigem Gebiet.

Dadurch, dass die Absprungluke offen war, konnte Peter plötzlich seine Instrumente wieder sehen und er versuchte mit der „standard spin recovery procedure“ die Kontrolle zurückzugewinnen. Er musste feststellen, dass die Trimmung nicht mehr funktionierte. Diese war durch die Treffer im Leitwerk so stark beschädigt, dass nichts mehr ging. Trotzdem schaffte es Peter, die Maschine in einen flacheren Sinkflug zu stabilisieren und unternahm den Versuch, die drei noch übrig gebliebenen Motoren zu drosseln. Kurze Zeit später stellte Peter die Merlin-Motoren ganz ab, was den Bomber unangenehm schwerfällig machte. Sie flogen nun mit süd-westlichem Kurs Richtung Schweiz in der Nähe von Konstanz auf etwa 900 Metern Höhe. Danach südlich von Untersee vorbei, wobei sie auf der einen Seite das brennende Friedrichshafen, auf der anderen im Mondlicht die Berge der Schweiz sehen konnten. Kurz vor der Notwasserung hatten die restlichen Besatzungsmitglieder ihre Notpositionen eingenommen. Peter schaltete die Landelichter ein und landete die viermotorige Maschine auf dem Bodensee. Die Maschine begann sofort nach der Landung langsam zu sinken. Wie die Besatzung es gelernt hatte, verließen sie das Flugzeug. Peter hatte den Bomber mustergültig nordöstlich von Steckborn im Kanton Thurgau gewassert.

Die Besatzung traf nach ihrer Anlandung mit dem Schlauchboot auf Schweizer Boden einen Bauern, der ihnen versicherte, dass sie sich auf Schweizer Boden befinden. Dieser geleitete die fünf Männer um 09:00 Uhr des gleichen Tages zum Polizeiposten von Steckborn. Die fünf Flieger wurden in der Schweiz interniert. Die Notwasserung war auch in der Nacht von verschiedenen Augenzeugen gesehen worden. Es wurde berichtet, dass ein britischer Bomber sehr tief über das Seebecken von Steckborn geflogen sei. Kurz darauf sei ein langgezogenes Krachen zu hören gewesen. Tags darauf fanden Anwohner in Ufernähe ein Schlauchboot, Fliegerjacken und weitere Ausrüstungsgegenstände. Sgt Alfred Brereton, der als erster abgesprungen war, wurde von den Deutschen gefangen genommen. Er war bis Ende des Krieges unter der Nummer als Kriegsgefangener im PoW Nr. 3825 im Stalag Luft VI bei Heydekrug inhaftiert. Sgt Geoffrey Foulkes landete mit seinem Fallschirm im Bodensee und ertrank im eiskalten Wasser. Seine Leiche wurde Monate später auf der Schweizer Seite angeschwemmt. Er wurde, wie alle anderen britischen Gefallenen, in Vevey beigesetzt.

Ende 1953 wurde die Lancaster von Martin Schaffner aus Suhr ("Bomber-Schaffner) gehoben.

Steckborn Lancaster 1943_1

Während der Bergung der Lancaster Mk.III, ND.759  1953 - Foto zur Verfügung gestellt von Stefan Zwingli - Kolorierung Patrick Schlenker 

Bergund der Lancaster bei Steckborn / Bodensee 1953

Die Lancaster Mk.III, ND.759, code TL°R bei ihrer Bergung aus dem Bodensee 1953

Bergund der Lancaster bei Steckborn / Bodensee 1953

Unterschiedliche Teile dieser Lancaster Mk. III sind bis heute der Nachwelt erhalten geblieben.

Mid Up Gunner Turred Rear Gunner Turred
Mid Upper Gunner und Rear Gunner Türme der Lancaster Mk.III, ND.759, code TL°R. Der linke gehört einem Privaten Sammler in der Ostschweiz, der rechte steh im Festungsmuseum Full.

 

 
Quellen:
Infringing Neutrality: The RAF in Switzerland 1940-1945 Roger Antoine
Fremde Flugzeuge in der Schweiz

 


- Gefallen

↔ - Im Rahmen eines Kriegsgefangenenaustausches  zurück nach England

∏ - In der Schweiz interniert